Zu „Was werft ihr ihm eigentlich vor?“ von L. Leuschen, WZ 30.06.21, S.3

Das Ziel ist der Ehren wert: Unserem Erzbischof, „dem umstrittenen Kardinal Woelki zur Seite zu springen“, wie die WZ im Untertitel ankündigt. Zwei Protagonisten des sogenannten Pastoralen Zukunftsweges (PZW), Frau Mechtild König, Unternehmensberaterin im Auftrag des Erzbistums Köln, und Dr. Werner Kleine, Pastoralreferent in Wuppertal, versuchen dies mit Unterstützung von Lothar Leuschen in der WZ. Was soll man dagegen als Dechant sagen, denn ist das nicht auch die Aufgabe der Dechanten und der Pfarrer? Problematisch ist, dass dabei die Wirklichkeit im Bistum und die Wirkungen, die unser Bischof, die Verantwortlichen und die „Protagonisten des Pastoralen Zukunftsweges“ erzeugt haben, so gut wie nicht vorkommen.

Stattdessen gibt es Schuldzuweisungen. Die überwiegende Mehrheit der engagierten Menschen in den Gremien unseres Bistums auf den verschiedenen Ebenen, egal ob als Mitglieder gewählt oder vom Bischof selbst ernannt, auch die Teilnehmer so mancher Veranstaltung des PZW, haben eine dezidiert andere Wahrnehmung der aktuellen Lage in unserem Bistum. Diese Diskrepanz ist eine Konstante in der Krise unseres Erzbistums und verstärkt sie permanent.

Gewiss ist es nicht nur der Umgang mit den Missbrauchsfällen, der die ganze deutsche katholische Kirche derzeit eine beispiellose Krise erleben lässt. Beiden großen Kirchen weht der Wind gesamtgesellschaftlicher Trends entgegen. Die Corona-Pandemie hat auch das kirchliche und gemeindliche Leben in Vielem ausgebremst. Hausgemacht ist jedoch der Verlust des Vertrauens in den Bischof und die Bistumsleitung, der sich wie ein Riss durch das ganze Bistum zieht und wiederum verschiedene Gründe hat. Einer von ihnen ist die Erfahrung, die wir im Bistum Köln mit dem sogenannten Pastoralen Zukunftsweg gemacht haben, der festgefahren ist. Ja, die knapper werdenden personellen und finanziellen Ressourcen erfordern entsprechende Entscheidungen und Veränderungen, die nicht nur angenehm sein können. Was Frau König und Herr Kleine aber an Gründen für den Stillstand des PZW ausmachen, um dem Bischof zur Seite zu springen, ist haarsträubend.

Das Wort „pastoraler Zukunftsweg“ klang gut, nach Seelsorge. Jede und jeder darf sich eigene Vorstellungen machen, was „pastoral“ und „Zukunft“ bedeuten sollen. Seit Jahren läuft das so unter dem Beisein von Kohorten von Unternehmensberaterinnen und -beratern, Kommunikationsprofis und uns Theologinnen und Theologen. Entscheidende Begriffe, mit denen gemeinsam gearbeitet werden soll, wurden nie klar definiert und gemeinsam tragfähig verstanden. Ein gravierendes Beispiel dafür ist die „Partizipation“. Sie ist ein Schlüssel, um Menschen heute freiwillig für Prozesse und Veränderungen zu gewinnen und zu motivieren. 20.000 und mehr Menschen seien beteiligt worden, so verlautbart es aus dem Generalvikariat und den Projektetagen des PZW. Fragt man Beteiligte an den unterschiedlichsten Formaten erhält man bestenfalls die Einschätzung, „es gab Informationen“, mehr oder weniger transparent. „Rückmeldungen wurden mitgenommen.“ Über diese niedrige Stufe von Partizipation ist der PZW bisher nicht wesentlich hinaus gekommen. Fragt man engagierte Gläubige aus den Verbänden und Gemeinden, die an verschiedenen Veranstaltungen des PZW teilgenommen haben, ist deren Urteil über die real erlebte Beteiligung des PZW klar: Pseudopartizipation. Das Alles motiviert und begeistert nicht. Von geistlichem Aufbruch, der der pastorale Zukunftsweg sein sollte, ist nach mehreren Jahren nichts mehr zu spüren. Dagegen hilft keine Schönrede.

Protagonisten des bisher größten pastoralen Projektes unseres Bistums in der Amtszeit von Erzbischof Kardinal Woelki könnten sich selbstkritisch fragen, woran das liegt. Im kleinen Kreis, wenn offen gesprochen wird, kann man hören, am Bischof, der sich nicht überzeugend hinter den Pastoralen Zukunftsweg stellt bzw. dem vorangeht. Oder an der für das Gelingen von Methode und Struktur engagierten Unternehmensberatung Boston Consulting (BCG), wahrlich keine kleine und billige unter den vielen consulting companies. Frau König macht nun im Artikel die wahren Schuldigen aus. Die Pfarrer sind es, die Machtverlust befürchten, wenn sie „plötzlich für weniger Angestellte verantwortlich sind“, die ihnen durch eine Reform der Kita-Trägerschaft genommen werden könnten. Da wird es vollends subkomplex, aber gegen die Pfarrer, die simpel das Urteil über ihren Bischof gefällt haben, soll es ja gehen. Die haben sich nämlich nicht mitentwickelt. Der Unternehmensberaterin hat, um nur ein Faktum und eine Entwicklung der letzten Jahre zu benennen, anscheinend nicht realisiert, dass schon seit einigen Jahren im Erzbistum Köln die Pfarrer nicht mehr die Personalverantwortlichen für die vielen Kitas sind. Diese Aufgabe wird, und dies bevor der Pastorale Zukunftsweg begann, engagiert und professioneller von Frauen und Männern erledigt, die die Verwaltung der Seelsorgebereiche leiten. Mir ist noch kein Pfarrer auf Dekanats- oder Bistumsebene begegnet, den das in eine Sinnkrise ob eines Machtverlustes gestürzt hat. Dafür aber viele KitaLeiterinnen, die jetzt eine gute Personalführung vor Ort schätzen und skeptisch sind, ob dies bei einer zentralen Kita-Trägerschaft gewährleistet bleibt.

Die Kommunikation und Informationen des Pastoralen Zukunftsweges müssen super gewesen sein, nur haben das die Adressaten der Kommunikation in den Gemeinden und der Fläche des Bistums nicht richtig mitbekommen, auch wir Pfarrer und Dechanten sowie die anderen Pastoralen Dienste nicht. „Es sei doch ein Imagefilm gedreht worden“. Jetzt könne jeder wissen, „worum es geht.“ Im Ernst, was soll man dazu sagen? In dem kurzen Film bestätigen sich die Hauptdarsteller gemeinsam mit dem Generalvikar, dass sie mit ihren Ideen auf einem guten Pastoralen Zukunftsweg sind. Warum begreift das nur die große Mehrheit der vielen Menschen im Bistum nicht, die diesen Film sehen konnten? Allesamt Kommunikations- und Pastoralbanausen oder ReformverweigerInnen.

Kleine beklagt dann doch die Führungsschwäche unseres Bischofs und verknüpft damit die Empfehlung, Dechanten und Priester „in den Senkel zu stellen, die ihm permanent in den Rücken fallen“. Das als öffentliche Empfehlung zur Personalführung zu lesen überrascht. Ist dieser Pfeilschuss in den inner circles des Kölner Zukunftsweges anvisiert worden? Die Dechanten, zu denen der Autor zählt, haben jedenfalls in vielen Gesprächen intern und danach teils öffentlich die von Kleine selbst „als überhaupt nicht gut“ bemängelte Kommunikation des Bischofs und des Generalvikars über die Missbrauchsfälle früh kritisiert. Sie haben früh angemahnt, was zuletzt und sehr spät unser Kardinal Woelki und der Generalvikar selbst beherzigt haben, s. beispielhafte die zunächst desaströse Kommunikation im Fall des Priesters D. mit ihren letzten Kehrtschwenken. Kritische Stimmen in den Senkel zu stellen, das kennen wir aus der Vergangenheit unseres Bistums. Es hat nicht Wenige verletzt und der Zusammenarbeit sowie dem Zusammenhalt im Bistum nachhaltig geschadet.

Kleine spricht auch aus, was Viele denken: Vermutlich habe Woelki als Sekretär zu Meisners Zeiten Vieles gehört und gewusst. Ich habe noch niemand im Bistum gehört, der unserem Bischof den Vorwurf gemacht hat, als damaliger Kaplan „nicht offensiv gegen den Chef Meisner“ vorgegangen zu sein. Das Problem liegt darin, so zu tun, als ob man nie wirklich etwas mitbekommen hat in all den Jahren. Das schadet weiter der Glaubwürdigkeit nicht nur unseres Bischofs.

Allein schon nach der Feststellung von permanenten Kommunikationsdefiziten, Führungsschwäche und mutmaßlicher Mitwisserschaft an Missbrauchsfällen ist die Schlussfolgerung alles andere als einleuchtend, dass unser Erzbischof keinesfalls Teil des Problems ist, sondern nur Teil der Lösung sein kann. Die große Mehrheit der Seelsorgerinnen und Seelsorger, inklusive der Pfarrer und Dechanten, sowie vieler engagierter Gläubiger in unserem Bistum, die ihre Kirche lieben, fragen sich, ob unser Bischof wirklich gut Teil der Lösung sein kann. Und nicht nur Pfarrer und Dechanten fragen sich das in persönlicher Verbundenheit mit dem Bischof. Unser Bischof selbst hat seine Antwort gegeben. Er übernimmt Verantwortung und will im Amt bleiben. Die Antwort von Papst Franziskus nach dem Bericht der Apostolischen Visitation steht aus. Um eine gute Lösung für unser Bistum muss es dabei gehen. Diese muss neben der gründlichen Aufklärung und der zukünftigen Verhinderung von Missbrauchsfällen das eigentliche Ziel sein.

Stadtdechant Pfr. Dr. Bruno Kurth, Wuppertal